2023-06-14

DU SELBST WERDEN von Gerrit Gielen



Wir selbst werden, warum ist das so schwierig? Aus uns selbst heraus leben, aus uns selbst heraus strahlen. Wir selbst sein - wie machen wir das?

Zunächst einmal wachsen wir in dieser Welt mit einem Bild davon auf, wie der Mensch beschaffen sei. Dieses Bild wird uns durch die Tradition, unsere Eltern, die Literatur, die Religion u.v.m. vermittelt. Sein Gedankengut liegt gleichsam in der Luft und wir verinnerlichen es: Das Bild, das uns vermittelt wird, ist die Anschauung, dass wir als Menschen nicht gut und nicht schön seien. Rutger Bregman nennt das auch die Firnis-Theorie: Was wir Zivilisation nennen, ist nur eine äußere Schicht. All die Regeln unserer Gesellschaft, all die Gesetze, geistlichen Gebote und so seien notwendig, damit ein Mensch sich einigermaßen anständig benimmt. Ohne diese Regeln, so die Vorstellung, sei der Mensch ein egoistisches Tier, das nur an sich selbst denkt. "Homo homini lupus" lautet ein lateinischer Sinnspruch: "Der Mensch ist seinem Mitmenschen ein Wolf".

Diese Bilder haben viele verinnerlicht. Das strikte Befolgen von Regeln führt jedoch dazu, dass allerlei Gefühle und Neigungen unterdrückt werden, die dann einen verzerrten Charakter annehmen. Sich nicht zum Ausdruck bringen zu können oder zu dürfen, führt zu Wut, Groll und Frustration in vielerlei Bereichen. Es führt dazu, dass die Menschen tatsächlich glauben, dass sie schlecht seien - womit das System sich selbst aufrechterhält. Das Bild, das wir von uns selbst verinnerlicht haben, lautet daher: Wenn wir uns an die Regeln halten, können wir den Anschein erwecken, wie seien gut, aber im Grunde sind wir das nicht.

Wenn wir dieses Bild von uns selbst haben, dann werden wir denken: Ich darf mich nicht zeigen, denn mein wahres Wesen ist schlecht. Ich muss mich anpassen. Ich muss mein eigenes Wesen, meine Natur unterdrücken. Die Vorstellung, dass wir nicht wir selbst sein dürfen, dass wir uns unterdrücken müssen, weil wir eigentlich nicht gut sind, sitzt sehr tief. Im Grunde zielt der ganze Prozess des Heranwachsens, der Bildung und Erziehung und des Erwachsenwerdens hierauf ab: das eigene natürliche Wesen, mit anderen Worten das Kind, zu unterdrücken, denn seine Natur sei egoistisch und unbeherrscht und müsse bekämpft werden, müsse geformt werden. Und sich anzupassen und zu lernen, sich den bestehenden Regeln zu fügen und der bestehenden Welt zu entsprechen, gilt als gut. Hat man das schließlich erreicht, ist man ein erfolgreicher erwachsener Mensch.

Diese Vorstellung oder dieses Menschenbild steht im Widerspruch zu allem, was die Spiritualität uns lehrt. Spiritualität bedeutet Aufmerksamkeit für das Innere des Menschen - es ist das Innere, um das es geht. In diesem Inneren gibt es etwas, das wunderschön ist, etwas, das rein und gut ist, das gesehen werden darf, das angenommen werden kann, besonders von uns selbst. Aufgrund der Erziehung, die wir durchlaufen haben, braucht es meist einiges an Zeit, um das zu akzeptieren.

Stellt euch einmal Folgendes vor. Ihr seht etwas Schönes - eine Blume, die Sterne, eine wunderbare Landschaft. Oder ihr genießt schöne Musik. Ihr schaut oder hört und denkt: Wie schön das ist.

Macht euch dies bewusst: Die Schönheit, die ihr beim Anblick einer Blume empfindet, liegt in euch selbst. Wenn diese Schönheit nicht in euch wäre, könntet ihr euch nicht an der Schönheit außerhalb von euch erfreuen. Ein Tier, ein Hund zum Beispiel, der eine Blume anschaut, erlebt keine Schönheit. Der Hund sieht dort einfach nur etwas und denkt: Kann ich das essen, ja, nein, wie riecht das? Und das ist es auch schon. Das Erfahren von Schönheit ist nur möglich, weil diese bestimmte Schönheit bereits in euch liegt: Ihr seid diese Schönheit. Und aus dieser Erfahrung von Schönheit entsteht eine tiefe Wechselwirkung. In dem Moment, in dem ihr erlebt, dass die Erde, das Meer, die Natur schön ist, oder ihr euch an der Gegenwart eines Tieres erfreut, gebt ihr etwas. Ihr schenkt etwas: Die Blume fühlt sich gesehen, wird sich ihrer eigenen Schönheit bewusst.

Schönheit zu sehen und zu erleben bedeutet, unsere eigene Schönheit zu teilen. Schönheit wahrzunehmen und das Gewahrsein derselben auszustrahlen ist ein Akt der Schöpfung. In dem Moment, in dem wir innerlich von etwas Schönem berührt sind, schöpfen, erschaffen wir. All die Schönheit, die wir sehen, liegt also bereits in uns. Was bedeutet das? Es bedeutet ganz einfach, dass wir innerlich schön sind. Jeder Mensch wird mit einem Sinn für Schönheit, einem Sinn für Wahrheit, einem Sinn für Güte und das Gute geboren. Das alles entspringt dem, was ich die Seele nenne: die Seele eines Menschen.

Wenn wir aber denken, dass wir innerlich schlecht seien, dass wir uns unterdrücken müssten, dass wir uns den Regeln dieser Gesellschaft anpassen müssten, dass wir nicht auffallen dürften, dann unterdrücken wir daraufhin unsere Seele. Die ganze Vorstellung, dass der Mensch innerlich schlecht sei, führt dazu, dass die Seele niedergehalten wird und sich in dieser Welt nicht manifestieren kann. Die Folge davon ist, dass die Menschheit nicht gedeiht, nicht blüht, dass die Menschheit nicht aus der Seele heraus lebt, sondern aus der Angst heraus. Und was tut man, wenn man Angst hat, man will das Leben kontrollieren, man will Menschen und Situationen kontrollieren, man will das Sagen haben. Und das ist es, was mit der Welt geschieht. Die Menschheit gebart sich wie ein Anführer, ein Oberhaupt. Wir leben in einer Zeit, für die der Begriff "das Anthropozän" geprägt wurde: das Zeitalter, in der der Mensch einen unverhältnismäßig großen Anteil dieser Welt einnimmt und Tiere und Pflanzen zunehmend verdrängt werden. Dies setzt alles unter einen hohen Druck.

Trotz allem, was der Mensch besitzt, trotz all seiner großen Städte, Industrien und Technologien, ist er nicht glücklich. Warum nicht? Weil er denkt, dass er schlecht ist. Innerlich glaubt er nicht an sich selbst. Er rast immer weiter, baut immer weiter, erobert die Welt. Er unterdrückt und zerrüttet die Natur und diesen Planeten. Deshalb ist es so wichtig, dass der Mensch wieder er selbst wird... sich nach innen wendet, Ja zu sich selbst sagt und aufhört, sich selbst zu verurteilen. Indem wir Ja zu uns selbst sagen, uns selbst vollständig annehmen, lassen wir unsere Angst los. Wir beginnen wieder, unsere eigene Schönheit zu erfahren, unser Gefühl für Wahrheit, das sich in unserer Intuition ausdrückt und in unserem Wissen, was richtig ist. Wir beginnen, aus unserem Herzen heraus zu leben und zu handeln.

Lass die Angst los, dass du nicht gut seist, erlaube dir wieder ganz und gar, zu sein.
Unterdrücke dich selbst nicht länger, sei du selbst. Werde du selbst.

Das beginnt damit, dass du dich nach innen wendest, denn dort bist du. Du bist nicht in der Welt um dich herum. Du bist nicht dein Auto, dein Haus, deine Beziehung oder deine Arbeit.

- Du bist du selbst.

Hier nun eine Meditation, die dir dabei helfen kann.

MEDITATION

Es folgt eine Meditation, die dir helfen kann, wieder Du Selbst zu sein.

ZUR MEDITATION

Vielen Dank.

Autor: © Gerrit Gielen (Link z. Original-Text und -Aufnahme)

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